Forscher des Berliner BIFOLD-Instituts und Google DeepMind haben einen KI-Algorithmus entwickelt, der die Simulation der Quantensysteme beschleunigt. Diese Entwicklung könnte die Art und Weise, wie wir Moleküle und Materialien verstehen, grundlegend verändern.
Molekulardynamik: Das Rätsel der Quantenwelt
Die Simulation von Molekulardynamik ist entscheidend, um die tiefsten Geheimnisse von Molekülen und Materialien zu entschlüsseln. Doch herkömmliche Methoden stoßen hier an ihre Grenzen: Die Berechnung der Wechselwirkungen zwischen Elektronen erfordert das Lösen der Schrödinger-Gleichung – eine Aufgabe, die für Moleküle mit vielen Atomen selbst für Supercomputer tagelange Arbeit bedeutet.
KI trifft auf Physik: Eine neue Ära der Forschung
Dank eines neuen maschinellen Lernalgorithmus, entwickelt von Forschern am BIFOLD-Institut und Google DeepMind, könnte diese Barriere fallen. Der Clou: Der Algorithmus entkoppelt physikalische Invarianten von anderen chemischen Informationen, was den Rechenaufwand drastisch reduziert. Jetzt können Simulationen, die früher Monate dauerten, in wenigen Tagen abgeschlossen werden – und das auf einem einzigen Computer.
„Diese Effizienzsteigerung ermöglicht es uns, die Struktur und Dynamik von atomaren Systemen auf einer ganz neuen Ebene zu verstehen“, erklärt Dr. Stefan Chmiela, der die Forschung leitete.
Neue Möglichkeiten in Medizin und Materialdesign
Die Anwendungen dieser Technologie sind weitreichend. Besonders in der medizinischen Forschung könnten die Ergebnisse bahnbrechend sein: Forscher könnten die Interaktion von Molekülen mit Proteinen im menschlichen Körper simulieren, ohne teure und zeitaufwändige Experimente durchführen zu müssen. Das spart nicht nur Ressourcen, sondern schont auch die Umwelt.
Ein faszinierendes Beispiel zeigt, wie der neue Algorithmus bereits eingesetzt wird: Das Team nutzte ihn, um die stabilste Form von Docosahexaensäure (DHA), einer zentralen Fettsäure im menschlichen Gehirn, zu identifizieren. Eine solche präzise Analyse wäre mit herkömmlichen Methoden nahezu unmöglich gewesen.
Ein Blick in die Zukunft
Prof. Dr. Klaus-Robert Müller, Co-Direktor von BIFOLD und Principal Scientist bei Google DeepMind, sieht großes Potenzial in der Kombination von fortschrittlichen maschinellen Lerntechniken mit physikalischen Prinzipien: „Diese Arbeit zeigt, wie wir mit KI jahrzehntealte Herausforderungen in der rechnergestützten Chemie überwinden können. Es ist ein wichtiger Schritt, um maschinelles Lernen auf reale chemische Systeme von praktischem Interesse anzuwenden.“
Während Simulationen mit Tausenden von Atomen nun möglich sind, bleibt die Herausforderung bestehen, Systeme mit Millionen von Atomen präzise zu simulieren. Die nächste Generation von Algorithmen wird darauf abzielen, auch diese komplexen physikalischen Wechselwirkungen korrekt zu beschreiben.